Anm.:
Herr Prof. Rübben ist wohl einer der 10 anerkanntesten
Urologen in Europa!
Diagnose Prostatakrebs
Studiogast Prof. Dr. med. Herbert Rübben, Urologe am Uniklinikum Essen
Prostatakrebs ist neben dem Lungenkarzinom die häufigste Krebserkrankung des Mannes. Etwa mit 50 Jahren hat jeder vierte Mann erste krebsartige Veränderungen in der Prostata. Jedoch: Im Gegensatz zu anderen Krebserkrankungen entwickeln sich die meisten Prostatakrebse langsam. Deshalb sterben Männer häufiger mit einem Prostatakrebs als an einem solchen. Nur ein Viertel der Prostatakrebse verläuft aggressiv und erfordert schnellen Handlungsbedarf.
Männer ab 45 Jahren sollten eine Früherkennung machen, so die gängige Empfehlung. Doch der mehr und mehr angewendete sogenannte PSA-Test ist höchst umstritten.
Wozu man(n) die Prostata braucht
Die Prostata ist eine etwa walnussgroße Drüse, die unterhalb der Harnblase direkt am Enddarm anliegt. Sie umschließt die Harnröhre zwischen Blase und Penis. Man spürt sie nicht, und sie ist nur über den Enddarm tastbar.
Die Prostata hat eine entscheidende Funktion bei der Fortpflanzung. Denn sie produziert einen Großteil der Samenflüssigkeit. Bei einem Samenerguss mischen sich Spermien aus dem Hoden mit dem Prostatasekret zum Ejakulat zusammen. Das Prostatasekret ist ein unerlässliches Transportmittel für die Spermien. Und es enthält darüber hinaus viel Zucker, der als Energielieferant für die Spermien auf ihrem Weg in die Gebärmutter dient. Abgesehen von der Funktion bei der Fortpflanzung hat die Prostata aber keine lebenswichtige Aufgabe.
Allgemeines zum Prostatakrebs
Rund 40.000 erkranken jährlich in Deutschland am Prostatakrebs. 11.000 - 12.000 Männer sterben daran, im Schnitt sind die Betroffenen dann 78 Jahre alt.
Die Todesfälle sind in der Regel die Folge eines Tumors, der bereits Tochtergeschwülste abgesiedelt hat, typischerweise in die Knochen und in die Lunge. Nach heutigem Stand der Medizin ist eine Heilung grundsätzlich nur noch dann möglich, wenn der Krebs auf die Prostata beschränkt ist. Sind bereits Metastasen im Körper vorhanden, kann eine Behandlung höchstens das Leben verlängern, aber nicht mehr von der Krankheit heilen.
Wodurch entsteht Prostatakrebs?
Die allgemein für Krebs typischen Risikofaktoren wie Rauchen, ballaststoffarme, an tierischen Fetten reiche Ernährung und übermäßiger Alkoholgenuss gelten auch als Risikofaktoren für den Prostatakrebs. Darüber hinaus sind noch folgende Faktoren bekannt:
Hormone
Männer die in jungen Jahren ihre Hoden verloren haben, erkranken nicht an Prostatakrebs. Offenbar ist das männliche Sexualhormon Testosteron für die Krebsentstehung unerlässlich. Bekannt ist auch, dass Testosteron bereits vorhandene Krebszellen im Wachstum fördert.
Vererbung
Wer einen Vater oder Bruder mit Prostatakrebs hat, trägt ein rund 3 mal höheres Prostatakrebs-Risiko in sich als der Bevölkerungsdurchschnitt. Auch sind Schwarze in den USA rund 9 Mal häufiger betroffen als Weiße, vermutlich ebenfalls aufgrund einer genetischen Disposition.
Ernährung
In Japan erkranken etwa 10 mal weniger Männer an Prostatakrebs als in den USA. Japaner, die in die USA emigrieren, tragen aber schon nach kurzer Zeit das gleiche Risiko wie der US-Bevölkerungsschnitt. Das spricht für einen deutlichen Umwelteinfluss, als besonders wichtig schätzen Experten dabei die Ernährung ein.
Früherkennung
Symptome, die man selber spürt
Rund jeder zweite Mann bekommt im Alter Beschwerden, die auf Veränderungen in der Prostata beruhen. Typisch sind Schwierigkeiten beim Urinieren, d.h. der Harnfluss ist reduziert und die Blase entleert sich nicht mehr vollständig, was einen ständigen Harndrang zur Folge hat.
Der Grund für diese Symptome ist eine Schwellung der Prostata. Sie drückt dann auf die Blase und engt die Harnröhre ein. In den allermeisten Fällen ist diese Schwellung gutartig. Sie kann allerdings auch durch ein Karzinom verursacht sein, das dann aber schon weit fortgeschritten ist.
Früherkennung durch den Arzt
Prostatakrebs im Frühstadium verursacht in der Regel keinerlei Beschwerden. Ärzte drängen daher auf eine jährliche Krebsvorsorguntersuchung bei Männern ab 50. Der einzige Test, der von den Krankenkasse bezahlt wird, ist dabei die Tastuntersuchung mittels Finger durch den Enddarm. Nur: Das Tasten mit dem Finger bringt eigentlich nichts. Es ist, wie die Urologen fast zynisch sagen, eine Methode zur "Späterkennung". Denn wenn sich ein Tumor schon mit dem Finger tasten lässt, ist das Schicksal des Patienten meist besiegelt. Der Krebs ist so groß, dass er bereits Metastasen in den Körper geschickt hat.
Trotzdem: Alle Krankenkassen empfehlen den Fingertest. Und die Ärzte machen ihn, denn er bringt ein paar Euro. Ihr Früherkennungs-Repertoire ist damit aber nicht zuende. Denn sie bieten noch den sogenannten PSA-Test an, nach Ansicht der meisten Urologen die Methode der Wahl. Er kostet rund 25 Euro, die der Patient selbst übernehmen muss.
Streit um den PSA-Test
Mit dem Test kann man ein Eiweiß im Blut nachweisen, das sogenannte Prostata-spezifische Antigen. Dieses Eiweiß wird bevorzugt von Tumorzellen gebildet. Ein erhöhter Wert kann, muss aber nicht auf einen Tumor hindeuten. Die Übereinkunft der Urologen ist: Liegt der Wert über 4 Nanogramm pro Milliliter Blut, dann sind weitere Untersuchungen nötig wie Gewebeprobe-Entnahme (Biopsie) und - falls ein Tumor entdeckt wird - Operation. Doch ob man dem Patienten mit der PSA-Bestimmung tatsächlich etwas Gutes tut, ist derzeit höchst umstritten.
Oft Fehlalarm durch PSA-Test
Denn die bisher verfügbaren Zahlen sprechen kaum für den Test. Zum einen ist er sehr unspezifisch: Bei 200 von 1000 Männern um die 65 fällt der Wert verdächtig hoch aus. Eine Biopsie ist die Folge. Dabei werden mit einer Hohlnadel durch den Enddarm hindurch Stanzproben aus der Prostata entnommen, was für die Patienten eine gehörige Belastung darstellt. Dabei belegt die Statistik: Bei 160 dieser 200 Männer stellt sich erhöhte PSA-Wert als Fehlalarm heraus. Ohne den Test wären ihnen Sorgen und eine Biopsie erspart geblieben.
Bei rund 40 Männern wird allerdings ein Tumor entdeckt. In der Regel werden die Patienten dann operiert, d.h. die Prostata wird vollständig entfernt. Damit hat der Test eigentlich sein Ziel erreicht. Aber tatsächlich ist nur ein Teil der Tumore auch gefährlich. Neueste US-Statistiken gehen davon aus, dass über die Hälfte aller Tumore, die der Test bei Männern über 65 findet, den Mann nie belästigt hätten. Und das liegt an den besonderen Eigenschaften des Prostatakrebses. Denn es gibt ihn in zwei Varianten - eine davon ist aggressiv und meist tödlich, die andere wächst dagegen sehr langsam. Und dieser eher harmlose Krebs ist obendrein extrem häufig: 80 jährige Männer haben zu rund 70 Prozent ein Karzinom, wenn man mit Biopsien danach sucht.
Von 100 Männern mit Prostatakrebs sterben letztlich nur 3 daran. Die übrigen 97 sterben an ganz anderen Krankheiten, und oft haben sie zeitlebens nichts von ihrem Krebs gespürt. Hätten sie aber alle den PSA-Test machen lassen, wie es die Ärzte fordern, dann wären viele zu Krebspatienten geworden, ohne dass sich ihr Leben auch nur um einen Tag verlängert hätte.
Operation mit Nebenwirkungen
Das Dilemma der Ärzte ist: Sie können anhand des Tumorgewebes nicht erkennen, um welche Tumorvariante es sich handelt. Daher raten sie zur Sicherheit fast immer zur Operation. Doch deren Folgen können drastisch sein: Mindestens jeder zweite Mann wird impotent. Das ist nur für jemanden, der dank Früherkennung länger lebt, ein akzeptabler Preis. Doch ob der Test das leisten kann, ist durch keine Studie bewiesen. Es kann zum Beispiel sein - und manche Daten sprechen dafür - dass die wenigen gefährlichen und schnell wachsenden Prostatakarzinome schon sehr früh Metastasen bilden, bevor sie durch den PSA-Test überhaupt auffallen. US-Forscher gehen davon aus, dass bestenfalls 3 von 100 Krebspatienten dank des PSA-Tests tatsächlich einen Vorteil im Sinne einer höheren Lebensqualität haben. Für die übrigen bedeutet die Anwendung eine echten Schaden.
Aufklärung tut Not
Zur Zeit wird in einer großen europäischen Studie mit 200.000 Patienten untersucht, ob der PSA-Test tatsächlich das Leben von Patienten verlängern kann, d.h. ob er die aggressiven Tumorvarianten entdeckt, bevor sie Metastasen bilden. Mit Ergebnissen ist aber erst in drei Jahren zu rechnen. Die Frage ist nun: Wie sollen Ärzte angesichts dieser Tatsachen jetzt mit dem PSA-Test umgehen? Auf dem deutschen Urologen-Kongress einigte man sich darauf, die Patienten in Zukunft besser aufzuklären. Ein kürzlich von der Stiftung Warentest durchgeführter Urologen-Check in Berlin verlief allerdings höchst ernüchternd: 9 von 10 Ärzte klärten die Patienten nur ungenügend oder gar nicht über die kritischen Aspekte des PSA-Tests auf.
Komplikationen der Prostata-Entfernung
Eine langfristige Heilung ist nur möglich, wenn der Tumor auf die Prostata beschränkt ist. Dann empfehlen Ärzte meist die vollständige Entfernung des Organs. Aufgrund der anatomischen Lage zwischen Blase und Blasen-Schließmuskel sind Komplikationen recht häufig.
Inkontinenz
Die Kontrolle des Urins gelingt durch zwei Schließmuskeln, einer liegt oberhalb der Prostata, einer unterhalb. Der obere wird bei jeder OP mit entfernt, dadurch fällt es den meisten Patienten nach der OP zunächst schwer, den Urin zu halten. Je nach Patient dauert es Tage oder auch Monate, bis die Kotrolle über den Urin vollständig gelingt. Je nach Statistik bleibt bei rund 8 bis 30 Prozent aller Patienten dauerhaft eine sogenannte Inkontinenz, d.h. sie können den Urin nicht immer vollständig halten. Diese Inkontinenz kann zu großen psychischen Belastungen führen.
Impotenz
Unmittelbar an der Prostata entlang verlaufen Nervenstränge, die für eine Erektion unerlässlich sind. Werden sie bei der OP durchtrennt - und das ist häufig der Fall - so ist die Fähigkeit zur Erektion für immer verloren. Je nach Umfang des Tumors können die Operateure die Nerven zumindest teilweise erhalten. Trotzdem bleiben insgesamt 70 Prozent aller Patienten nach der Prostataentfernung impotent, d.h. sie erleben keine "spontane" Erektion mehr. Teilweise können sie aber die Fähigkeit zum Orgasmus, z.B. nach manueller Stimulation, trotzdem behalten.
Hilfsmittel bei Impotenz
Liegt eine Impotenz vor, kann der Arzt verschiedene Hilfsmittel anbieten. Als recht wirksam haben sich Medikamente wie Viagra erwiesen. Sie bewirken in rund 60 Prozent aller Fälle, dass zumindest nach einer gewissen Übungsphase wieder eine Erektion möglich ist. Allerdings haben solche Potenzmittel z.T. erhebliche Nebenwirkungen vor allem bei Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen. In den USA wurde sogar über angebliche Todesfälle durch Viagra berichtet.
Weitere Hilfsmittel sind Vakuumpumpen oder sogenannte Penisprothesen. Dabei handelt es sich um hydraulische Zylinder, die in den Penis implantiert werden. Über eine Pumpe kann der Patient dann eine künstliche Erektion herbeiführen.
Techniken der Operation
Die Prostata-OP ist mittlerweile in vielen Krankenhäusern reine Routine. Der Aufenthalt in der Klinik beträgt rund 10 - 14 Tage. Die OP selbst dauert rund eine Stunde.
Verschiedene OP-Verfahren sind möglich. Am häufigsten angewendet wird die OP durch Unterbauchschnitt, d.h. die Prostata wird durch einen Längsschnitt entfernt, der vom Nabel abwärts bis zum Beginn der Schambehaarung reicht. Weniger aufwendig und meist schonender für die Patienten ist der Eingriff über den sogenannten Dammschnitt zwischen Hodensack und After. Allerdings ist zur Entfernung der Lymphknoten (muss unter Umständen gemacht werden, um die Wanderung von Metastasen festzustellen) eine zweite OP nötig. Beim Unterbauchschnitt ist Entfernung von Prostata und Lymphknoten gleichzeitig möglich. Ein drittes Verfahren ist die OP über Bauchspiegelung, bei der nur ein kleiner Hautschnitt erfolgt und der Arzt die Entfernung der Prostata über Endoskope kontrolliert. Dieses Verfahren hat aber den Nachteil, dass eine OP länger dauert.
Alternativen zur Prostata-Entfernung
Einige Männer, gerade wenn sie schon älter als 70 sind, lehnen eine Operation ab. Es kann auch vorkommen, dass der Zustand des Patienten oder andere Erkrankungen eine Operation als zu riskant erscheinen lassen. Dann gibt es die Möglichkeit, den Tumor mit Hilfe alternativer Methoden zu bekämpfen.
Äußere Bestrahlung
Dabei wird über eine Art Röntgengerät, das sehr stark auf den Tumor fokussiert seine energiereiche Strahlung abgibt, der Tumor bekämpft.
Interne Bestrahlung
Es gibt auch die Möglichkeit, direkt in das Tumorgewebe Strahlenquellen zu implantieren (sogenannte "Seeds"), die dann permanent den Tumor bestrahlen. Die Seeds sind etwa reiskorngroße Titanstifte, die mit radioaktivem Palladium oder Jod beladen sind. Die Seeds werden in der Prostata belassen, wo sie ihre zerstörende Strahlendosis abgeben. Da die Strahlung rasch abklingt, brauchen sie nicht wieder entfernt zu werden. Nach 1 bis 2 Tagen Klinikaufenthalt kann der Patient bereits wieder nach Hause. Diese Methode wenden Ärzte aber nur bei Tumoren an, die im Frühstadium sind und als wenig aggressiv eingestuft werden.
Ob die Bestrahlungstherapie grundsätzlich eine Alternative zur Prostata-Entfernung darstellt, ist unter deutschen Urologen umstritten. Urologen mit viel Erfahrung bei der Bestrahlung empfehlen die Bestrahlung, häufig operierende Urologen empfehlen die Operation. Insgesamt ist in Deutschland die Operation ganz klar die Therapie Nummer eins, während z.B. in den USA vor allem die interne Bestrahlung zur Zeit einen regelrechten Boom erlebt.
Kryotherapie
Über Hohlnadeln wird flüssiger Stickstoff in die Prostata gespritzt. Die Temperaturen von rund -180°C lassen das Tumorgewebe absterben. Auch diese Therapie ist für die Patienten recht schonend, wird aber kaum angewandt, da Langzeitstudien fehlen.
Ultraschall
Über eine in den Enddarm eingeführte Sonde wird ein spezieller Ultraschall an die Prostata abgegeben. Dadurch erwärmt sich das Gewebe und die besonders hitzeempfindlichen Tumorzellen sterben ab. Wie die Kryotherapie ist auch die Tumorzerstörung mittels Ultraschall eher eine exotische, selten angewendete Methode.
Hormonentzug als Tumortherapie
Das männliche Sexualhormon Testosteron fördert nachweislich das Tumorwachstum. Schon seit den 40er Jahren wird Prostatakrebs daher durch Hormonentzug behandelt, z.T. als Alternative zur OP, oft aber auch als Behandlung nach der OP, um ein Wiederausbruch der Krankheit zu verhindern oder um bei weit fortgeschrittenen, metastasierendem Tumor das Wachstum der Krebszellen zu verlangsamen und so Schmerzen zu lindern.
Die historisch erste Methode, um den gewünschten Abfall des Testosteronspiegels zu erreichen, war die Kastration, also die Entfernung beider Hoden. In den 70er Jahren wurde dann die sogenannte pharmakologische Kastration entwickelt. Zunächst mittels weiblicher Östrogene, später mit sogenannten Anti-Androgenen konnten Ärzte dann medikamentös die Bildung von Testosteron unterdrücken.
Heute ist der Hormonentzug eine sehr häufig angewandte Therapie des Prostatakrebses, die allerdings auch ihre Nebenwirkungen hat (s. auch O-Ton!), wie Verlust der Libido, Anschwellen der Brüste, Depressionen, Hitzewallungen, Muskelschwund mit Gewichtszunahme.
Chemotherapie
Die von anderen Krebserkrankungen her bekannte Chemotherapie, d.h. die Tumorbekämpfung mit Zytostatika, wird beim Prostatakrebs selten angewandt. Der Grund: Prostatakrebs wächst vergleichsweise langsam, die Zellgifte der Chemotherapie wirken aber auf nur bei sich sehr schnell teilenden Zellen gut. Die Chemotherapie wird daher nur in Ausnahmefällen bei weit fortgeschrittenem Krebs eingesetzt.