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Die Prostata der Frau

Begonnen von Josef, 10. Juli 2009, 23:20

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Josef


Die weibliche Prostata– Faktum oder Mythos?

Fachkreise diskutieren bis heute, ob für die Prostata des Mannes ein anatomisches Korrelat im weiblichen Körper existiert. Bislang konnte die Frage nicht eindeutig beantwortet werden.

Wer dachte, dass die makroskopische Anatomie des Menschen noch offene Fragen bereithält? Tatsächlich polarisiert die Diskussion um die Prostata der Frau Fachkreise bis heute. Grundlage dieser Diskussion ist die durchaus berechtigte Fragestellung, ob nicht – wie bei jedem anderen Organ des Körpers – ein Korrelat bei Mann und Frau existiert. Interessant ist, dass selbst anatomisch und chirurgisch versierte Spezialisten aus den Reihen der Fachärzte für Urologie und Gynäkologie sowie Anatomie die Frage nach der Existenz einer Prostata der Frau meist nicht sicher beantworten können.

Geschichte und Anatomie

Geschichtlich betrachtet ist die Bezeichnung weibliche Prostata so alt wie das Wissen um die Prostata des Mannes. Bereits 300 v. Chr. beschrieb Herophilos von Chalkedon die Prostata – bei Mann und Frau. Der in Alexandria tätige Arzt und Anatom war der Pionier der anatomischen Studien an Leichen. Sehr detailliert hat er so die Organe des Körpers beschrieben und immer nach Parallelen bei Mann und Frau gesucht. Ihm war klar, dass die Vorsteherdrüse des Mannes ebenso bei der Frau existieren müsse, wenn auch in rudimentärer Form. Fehlgriffe in Herophilos' Studien lassen jedoch an so manchen Fakten zweifeln: So beschrieb er zwar sehr logisch das Ovar der Frau als weibliche Hoden – deren Ausführungsgänge mündeten ihm zufolge jedoch im Trigonum der weiblichen Harnblase. Die klinische Erstbeschreibung der weiblichen Prostata erfolgte 1672 n. Chr. durch den niederländischen Gynäkologen Reinjier De Graaf (1641–1673) – vielen ein Begriff durch dessen Studien zur zyklischen Entwicklung der Eizellen des Ovars. Dieser Arbeit wird noch heute in der Bezeichnung Graaf-Follikel Tribut gezollt.
Alexander J.C. Skene (1838–1900) – schottischstämmiger und in den Vereinigten Staaten tätiger Gynäkologe und Augenarzt – gilt bis heute als ,,Verhinderer" der weiblichen Prostata! Dieses harte Urteil kann jedoch teilweise eingeschränkt werden: Seine anatomische Beschreibung der paraurethralen Drüsen der Frau gehören zweifelsohne zu den bis ins 19. Jahrhundert detailiertesten. Dennoch waren ihm und seinen Nachfolgern die Parallelen zur Prostata des Mannes nicht bewusst, und es kam später zur Bezeichnung ,,Skene-Drüsen" als eigenständiges Organ. Diese Nomenklatur hat sich bis heute gehalten und erschwert die Etablierung der wahren embryologischen und anatomischen Zusammenhänge. Bis heute revolutionär sind J.W. Huffmans Wachsmodelle der weiblichen para-urethralen Drüsen – die er wieder als weibliche Prostata erkannte (Abbildung 1). Interessant ist auch die Tatsache, dass die Wachsmodelle der weiblichen Prostata verblüffende Ähnlichkeiten mit entsprechenden Modellen der Prostata des männlichen Embryos aufweisen (Abbildung 2). Eine Abbildung Huffmans' findet sich auch auf der Titelseite des Buches des größten zeitgenössischen Forschers auf diesem Gebiet – des in Bratislava (SLO) tätigen Pathologen Milan Zaviacic.
Er und seine Mitarbeiter und die Kollegen der gynäkologischen Abteilung der Universitätsklinik in Bratislava haben im Zeitraum 1985 bis 1999 150 Autopsien und 200 Patientinnen hinsichtlich Anatomie, Histologie und Pathologie des paraurethralen Apparats der Frau untersucht. Kernpunkt Zaviacics' Studien ist die Definition unterschiedlicher anatomischer Formen der weiblichen Prostata (siehe Tabelle 1). Sie erklären klinisch und entwicklungsgeschichtlich das Erscheinungsbild des Or-gans bei der Frau: Zum einen wird klar, warum der paraurethrale Apparat derartigen interindividuellen Schwankungen unterliegt. Zweitens sind die anatomisch unterschiedlichen Formen wohl Ausdruck individuell differenter Entwicklungsstufen mit hormonell bedingtem Reifungsstopp beim weiblichen Embryo.

Embryologie

Embryologisch beginnt die Entwicklung der Prostata im dritten Monat mit der Ausstülpung von Knospen des Epithels der Urethra (späterer Drüsenapparat) ins umliegende Mesenchym (Stroma und Kapsel). Die Bildung der somit aus dem Urogenitalsinus stammenden Vorsteherdrüse steht beim männlichen Embryo unter dem Einfluss von Dihydrotestosteron (DHT). Grundlegend ist weiters die Interaktion zwischen Endoderm und Mesenchym – die teilweise dem Androgenrezeptor unterliegt. Ohne ausreichende Androgenspiegel fehlt die Ausreifung beim weiblichen Embryo – der Drüsenkörper ist rudimentär angelegt – und wird auch in der embryologischen Literatur als paraurethrale Drüsen bezeichnet. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass praktisch jedes Organ bei Mann und Frau ein embryologisches Korrelat hat (Tabelle 2), ist es nur nahe liegend, dass dies auch für die Prostata zutrifft.

Weibliche Ejakulation

Die Ejakulation der Frau wird schon in alten indischen Liebeslehren beschrieben (Ananga Ranga, 1172). In zahlreichen indischen Tempelanlagen stehen Statuen weiblicher ejakulierender Figuren. Schon damals wurde die Emission des sogenannten ,,Liebessaftes" mit hohem Lustempfinden in Verbindung gebracht. Auch De Graaf und Gräfenberg untersuchten die weibliche Ejakulation in Zusammenhang mit ihren Forschungen zur weiblichen Prostata. Wir wissen aus dem klinischen Alltag, dass es Frauen gibt, die über eine Emission von Flüssigkeit während des Orgasmus berichten. Dieser Umstand wirft jedoch einige grundlegende Fragen auf:

1) Handelt es sich dabei tatsächlich um eine Ejakulation?

2) Ist der Ursprung einer derartigen Ejakulation wirklich die weibliche Prostata – so es eine solche gibt?

3) Wieso ejakuliert nicht jede Frau? Die Frage der Definition dürfte heute soweit klar sein: In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die emittierte Flüssigkeit nicht Ausdruck einer oft vermuteten Belastungsinkontinenz während des Orgasmus ist (vergleichende Proteintests aus Harn und ,,Ejakulat", Tampontests, Blaufärbung des Blasenharns etc.). Ebenso konnte prostataspezifisches Antigen (PSA) in hohen Konzentrationen im Ejakulat bei Frauen nachgewiesen werden.

Pathologie

Weitere Hinweise auf die Existenz der weiblichen Prostata gibt die Pathologie der paraurethralen Drüsen der Frau. Sporadische Fälle von Prostatakarzinomen der Frau wurden bisher als Karzinom der Skene-Drüsen bezeichnet. Histologisch entsprechen diese Karzinome dem Prostatakarzinom des Mannes. Allerdings sind Plattenepithel- und Urothelkarzinome in diesem Bereich häufiger. Das Vorkommen einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) der Frau ist dem gegenüber sehr unwahrscheinlich. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden wohl Resektionen des Blasenhalses der Frau beschrieben – in großen Serien konnte jedoch nie BPH-Gewebe gefunden werden. Wahrscheinlicher scheint der Zusammenhang zwischen interstitieller Zystitis, chronic pelvic pain syndrome (CCPS) und Prostatitis. In diesem Kontext wird von einigen Klinikern ein Ausstreichen von Sekret aus paraurethralen Drüsen zu diagnostischen Zwecken beschrieben. Die paraurethralen Drüsen werden auch als mögliche Reinfektionsquelle bei therapieresistenter Gonokokken Infektion angesehen. Weitere Pathologien des paraurethralen Drüsenkomplexes wie Urethraldivertikel oder sogar –steine (Abbildung 3) könnten in Zukunft ebenfalls als Erkrankungen der weiblichen Prostata erkannt werden.

Zusammenfassung

Aus geschichtlichen, wissenschaftlichen und unseren eigenen Daten lässt sich die Diskussion um die Existenz der weiblichen Prostata auf die Nomenklatur der paraurethralen Anatomie (Drüsen) und die Variabilität der embryologischen Entwicklung des Drüsenapparats reduzieren. Bezüglich der Nomenklatur war es wohl der Einfluss der Nachfolger Skenes, die die paraurethralen Drüsen nach ihm benannt hatten und so das Konzept der weiblichen Prostata für fast 200 Jahre umwarfen. Embryologisch betrachtet bestehen Parallelen zwischen männlicher und weiblicher Prostata – die heute bekannte morphologische Variabilität des Drüsenkörpers erklärt die große Skepsis in Fachkreisen. Weibliche Ejakulation und Pathologien der paraurethralen Drüsen sind bis dato sicher noch nicht ausreichend erforscht. Diese ,,Phänomene" dürften jedoch direkt mit der hohen Variabilität der Ausprägung des paraurethralen Drüsenkomplexes in Zusammenhang stehen.

Literatur beim Verfasser
Tabelle 2
Dr. Florian Wimpissinger
Urologische Abteilung,
Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien
Alles, was wir uns in der Vergangenheit schwer erkämpfen mussten,
hinterlässt gewisse Spuren auf unserer „zerbrechlichen“ Seele,
doch sollten wir deshalb die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht verlieren.
Carola-Elke